Schmerzen in der Schwangerschaft und was man dagegen tun kann

 

 

Schwangerschaften sind zwar "die natürlichste Sache der Welt", wie es so schön heißt, aber sie gehen deshalb nicht auch gleichzeitig spurlos an einem vorbei.

Dafür sind die körperlichen Veränderungen einfach zu groß.

Man muss sich wirklich mal überlegen, was da so alles passiert. Das ist schon massiv.

Die gesamte Statik verändert sich, Muskeln werden bis zum Anschlag überdehnt, die Schwerpunkte im Körper verändern sich, die Hebelwirkungen verändert sich, der gesamte Blutkreislauf verändert sich (ja, es gibt tatsächlich mehr Blut und damit auch mehr Volumen), die Hormone verändern sich.

Der Körper kann das schon alles gut verkraften, dafür ist er ja gemacht. Aber man darf das nicht unterschätzen. Viele Frauen bekommen in der Schwangerschaft auch viele Symptome.

Vor allem bekommen viele Schwangere Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen und Nackenschmerzen.

 

Aber das sind zumindest die Anteile der Symptome, die wir als Physios super gut behandeln können.

 

Die "Wellen", die diese Veränderungen im Körper schlagen, sind schon ganz schön weitläufig.

Wenn man das in drei kurzen knackigen Unterpunkten zusammenfassen würde, würden die so aussehen:

 

Warum entstehen Schmerzen in der Schwangerschaft?

1. Die Veränderung der gesamten Statik 

Die doch schon massive "Ladung", die hinzu kommt, das Gewicht, des Babys und das allgemeine zunehmende Volumen, das auf den Gelenken lastet, ist für die Muskulatur neu und ungewohnt.

Hatte man vorher vielleicht 60 Kilo, müssen die Muskeln und Gelenke jetzt oft 20 Kilo, manchmal sogar 30 Kilo, mehr tragen. Das kann einfach weh tun. Nicht nur im Kreuz auch in den Hüften, Knien und Füssen.

Dann kommt die "Raumforderung" dazu.

Das wachsende Baby macht sich Platz, wo es nur kann. Egal, ob die Strukturen der Lendenwirbelsäule, Brustwirbelsäule, der Rippen und vor allem des Kreuzdarmbeingelenks (ISG) schon ein Leben lang vor der Schwangerschaft fest und unbeweglich waren oder vielleicht sogar überbeweglich. Das führt dann ganz oft zu einem Instabilitätsgefühl.

Die Lendenwirbelsäule bewegt sich nach vorne in eine Hohlkreuzposition und genauso bewegt sich der Kopf nach vorne (wobei das dann natürlich keine "Hohlkopfposition ist....😉) und kann so Nacken-, Kopf-, und Schulterschmerzen auslösen. Die Position der Schultern ändert sich damit natürlich auch.

 

 

 

 

 

2. Die veränderten muskulären Verhältnisse.

Die "Hebelverhältnisse" im Körper ändern sich völlig. Die langen Rückenstrecken müssen mit zunehmender Schwangerschaft viel, viel mehr halten als zuvor, da die Bauchmuskeln in ihrer überdehnten Position nicht mehr so viel leisten können. Das kann schon auch weh tun allein wegen der Überspannung der Muskeln in der Lendenwirbelsäule.

Die überspannten Rückenstrecker ziehen das Kreuz in eine Hohlkreuzposition, in der es vorher nicht war oder zumindest nicht so ausgeprägt.

Die Muskeln, die vorher nie so viel Gewicht schleppen mussten, versuchen sich so gut es geht anzupassen, Dabei entstehen aber oft auch Ausweichmechanismen und Kompensationsmechanismen, weil das nicht immer ganz perfekt passiert. Kommt auch immer drauf an, wie muskulär fit, beweglich und geschmeidig man vorher war.

Hatte man vielleicht vorher schon eine schmerzhafte Skoliose, kann es sein, dass die in der Schwangerschaft noch mehr weh tut.

Hatte man vorher vielleicht Plattfüsse, kann es ein, dass die mit dem zunehmenden Gewicht und der Laxität (Weichheit, Instabilität) anfangen zu schmerzen.

 

Meistens bewegt sich auch der Kopf nach vorne, genauso wie das Kreuz.

Und genauso wie unten, haben dann die Nackenmuskeln mehr zu halten und zu leisten. Der Kopf ist nicht mehr im Lot. Und kann, genau wie unten, Schmerzen machen.

 

 

3. Die neue Hormonlage macht die Gelenke weich und beweglich.

Wichtig in dem Zusammenhang ist das Relaxin.

Das ist ein Hormon, das eine wichtige Rolle im weiblichen Fortpflanzungssystem spielt. Es wird in den Eierstöcken gebildet und während der Schwangerschaft auch in der Plazenta. Zur Vorbereitung auf die Geburt entspannt es die Bänder im Beckenbereich und macht den Muttermund weich und weit.

Ohne Schwangerschaft, während des Zyklus, steigt der Relaxin-Spiegel im Blut nach dem Eisprung in der zweiten Zyklushälfte an, um die Wand der Gebärmutter zu entspannen, um Kontraktionen zu verhindern und um somit eine mögliche Schwangerschaft vorzubereiten.

Wenn keine Schwangerschaft "stattfindet", fällt der Relaxin-Spiegel wieder.

 

In der Schwangerschaft ist der Relaxin-Spiegel im ersten Trimester am höchsten. Man nimmt an, dass es dem Fötus so hilft  sich in die nun weichere Gebärmutterwand gut einzunisten und das Wachstum der Plazenta zu fördern. Im frühen Stadium der Schwangerschaft verhindert es Kontraktionen der Gebärmutter, damit keine frühzeitige Geburt ausgelöst wird.

Es hilft dem Körper der Mutter sich an die vielen Umstellungsprozesse während der Schwangerschaft anzupassen. So entspannt es auch die Blutgefäße der Mutter, damit eine gute Blutzufuhr zur Plazenta stattfinden kann und sich das ganze Herzkreislaufsystem und Nierensystem der Mutter an die höhere Leistung anpassen kann.

Sauerstoffaustausch, Abfallwirtschaft, Wasserhaushalt für zwei.

Zum Ende der Schwangerschaft hin soll Relaxin dafür sorgen, dass die den Fötus umgebenden Membranen "aufbrechen", dass der Gebärmutterhals, der Scheidenschlauch und die Bänder im Beckenbereich  weich werden, um den Körper auf die Geburt vorzubereiten.

Die vielen genauen Trigger-Mechanismen der Geburtseinleitung werden noch erforscht.

 

Es ist auf jeden Fall da, damit alles weich und geschmeidig wird.

 

 

Wie ist das nun aber bei extremen Schmerzen in der Schwangerschaft?

Es gibt ja auch Frauen, die können sich gegen Ende der Schwangerschaft kaum noch bewegen und haben massive Rückenschmerzen.

Ich kenne das aus der Praxis und der Klinik und sehe die Frauen vor meinem inneren Auge, wie sie sich schleppend vorwärts bewegen und vor Schmerzen kaum einen Fuss vor den anderen setzen können.

 

Laut der Studie unten, bei der knapp 400 Frauen getestet wurden, hatten die Frauen mit ernsthaften Schmerzen im Beckenbereich und Instabilitäten, auch den höchsten Relaxinspiegel im Blut.

Also nimmt man an, dass da ein Zusammenhang besteht.

Ob der Relaxinspiegel beeinflußen werden kann, sagt die Studie nicht. Aber ich denke mal, eher nicht, da das eine individuelle metabolische Hormongeschichte ist. 

Wie lange das Relaxin nach der Geburt im Körper bleibt und alles weich hält, kann ich nicht sagen, da ich keine Studie dazu gefunden habe. Es würde aber erklären, warum mache Frauen nach der Geburt extreme Schmerzen haben. Wenn man von den "normalen" Geburtsverletzungen mal absieht.

 

Wichtig ist aber auf jeden Fall auch, dass in einem Schmerzzustand das Stresshormon Cortisol nicht noch höher getrieben werden sollte. Und das können wir auf jeden Fall beeinflussen.

 

Was kann man denn nun tun bei Schmerzen in der Schwangerschaft?

 

  1. Von Anfang an die Haltung trainieren. Das ist auch das erste, was man nach der Geburt üben sollte. Man kann es nicht verhindern, dass man die typischen Schwangerschaftshaltung bekommt, aber man kann so gut es geht die Muskulatur trainieren.
  2. Beinarbeit machen. Squats, Lunges und alles, was die Rückseite der Beine (die Hamstrings) stärkt und die Pomuskeln. Denn diese Muskeln bewegen das Becken in eine Posistion, die entgegengesetzt des Hohlkreuzes ist. Die Beine sind auch wichtig bei der Geburt. Da braucht man Kraft zum abstützen und halten.
  3. Brust raus, Nacken und Kopf nach hinten in die Reihe bringen. Also ins Lot kommen so gut es geht. Kann man an einer Wand üben oder in Rückenlage, wer kann. Kinn nach hinten schieben. Solche Sachen kann man auch mit einer ganz normalen Physiotherapeutin üben. Die muss dafür nicht auf Schwangere spezialisiert sein, Sowas ist unser normales tägliches Brot 😊
  4. Alles dehnen, was geht. Vorsichtig natürlich. Das entspannt die Muskulatur. Arme, Beine, Nacken, Rücken, Rumpf.
  5. Sich Massagen geben lassen. Nacken, Rücken, Beine, Füsse. Das tut immer wahnsinnig gut. Und gut soll es tun. Und ja, man darf Schwangere durchaus massieren. Da passiert nichts. Es sei denn man drückt wie bekloppt an den Leuten rum und verursacht ihnen Schmerzen und blaue Flecken (es gibt auch solche Physios der "alten Schule", die meinen es müsste weh tun....) Aber so leicht läßt sich keine Geburt auslösen, sagen auch die Hebammen, die ich kenne. Wenn es so einfach wäre, bräuchte man keine Geburten mehr künstlich einleiten. Und in den wenigen Fällen, in denen vielleicht zeitgleich etwas passiert ist, da war vorher schon was. Ich kenne keine einzige Schwangere, die nach meiner Massage Wehen bekommen hat. Wer da auf der sicheren Seite sein will, sucht sich eine Therapeutin, die bei Sabine Friese-Berg die Ausbildung "Effektive Manuelle Hilfen in Schwangerschaft und Wochenbett" gemacht hat.
  6. Einen Schwangerschaftsgurt anziehen
  7. Bewegen im schmerzfreien Bereich. Immer den Schmerz respektieren und nicht über die Schmerzgrenze hinaus gehen. 
  8. Runterfahren, Parasympathikus Aktivierung, damit das ganze System entspannt. Das Cortisol/Adrenalin muss raus aus dem Körper und sollte nicht noch mehr werden. Das ist auch ganz wichtig für die Geburt. Die Beckengelenke müssen weich und beweglich sein und das ganze System muss entspannt sein, damit sich das Baby senkt und bereit machen kann für die Geburt. Das heißt keine übertriebenen Sportaktionen wie Step Aerobic, Joggen oder Spinning. Angeblich spricht nichts dafür, dass man so Sachen in der Schwangerschaft machen darf, aber ich bin kein Fan davon. Hochleistungs-Schwangere haben oft eine schwerere Geburt als die "gechillten" und gemütlichen. Und wer eh schon Schmerzen hat, sollte sich nicht damit überfordern oder sich noch mehr hoch puschen. Siehe oben, man kann auch ganz gemütlich seine Übungen machen.
  9. Das heißt dann also Kopf ausschalten und eher meditieren als 3 -5 Sportkurse die Woche zu machen und permanent auf Achse zu sein.
  10. Regeneratives, leichtes Yoga. Das ist immer toll. Dazu vielleicht spazieren gehen, schwimmen, leichtes Radfahren. Alles was Bewegung verschafft, aber nicht anstrengt oder aufregt. Wer nichts hat, keine Schmerzen, Symptome oder körperlichen Probleme,  der kann ja seine Sport Routine durchaus weiter machen. 
  11. Übungen mit dem Pezziball.
  12. Schlafpositionen mit dickem Kissen ausprobieren.
  13. Auch gegen eine Wärmflasche oder ein warmes Kirschkernkissen oder Dinkelkissen spricht nichts während der Schwangerschaft.
  14. Stufenbettlagerung, wenn man es verträgt. Das heißt, die Beine mit 90° Knie- und Hüftbeugung auf einen Hocker oder auf die Couch legen (wenn man auf dem Boden liegt z.B.). Oder zumindest so die Knie bzw. Unterschenkel unterpolstern, dass sie höher liegen als der Rest des Körpers.
  15. Mit Himbeerblätter Tee unbedingt aufpassen!!! Der macht das Gewebe noch weicher und hat schon so manche, ewig blutenden und fast nicht-nähbaren Geburtsverletzungen und Gebärmütter nach Kaiserschnitten verursacht. Das weiß ich aus erster Hand aus dem OP und von den Hebammen im Kreissaal. Mit dem ganzen Kräuterkram sollte man echt aufpassen. 
  16. Schmerzmittel immer mit dem Arzt absprechen.
  17. In den letzten 4 Wochen vor der Geburt wird das Becken asymmetrischer und noch weicher. Nicht wundern. Das muss so sein. Also bitte nicht zum Chiropraktiker rennen, um das richten zu lassen. Lieber noch 2-3 Massagen und "Betüttelungen" mehr buchen.

Hier hab ich ein paar Beispiele der Polster und Hilsfmittel.

Es gibt verschiedene Arten von Polstern. 

Es hilft jedes sicher auf seine Weise. Muß man ausprobieren. Die meisten Physio Praxen haben solche Polster. Da kann man das mal mit der Höhe ausprobieren und schauen, was einem gut tut.

Den Schwagerschaftsgurt gibt's auch auf Rezept.

 

Venenkissen. Auch bei Rückenschmerzen gut

 

 

Schwangerschaftsgurt

Lombamum

Beinhochlagerungs-

kissen

 

 

Körnerkissen

 

Stufenlagerungswürfel

 

Lagerungskissen

 



Hi, ich bin die Nicole. Ich bin seit 25 Jahren Physiotherapeutin und hab viele Jahre auf der Wochenstation und auf der gynäkologischen Station in der Frauenklinik gearbeitet. Von mir bekommst Du Informationen zum "Thema" aus erster Hand. 

Rückbildung vom ersten Tag an, im Rückbildungskurs, in der Praxis mit Patienten und leider auch oft die Spätfolgen von Beckenbodenschwächen (und was es sonst noch alles geben kann)  in der operativen Gynäkologie, kenne ich in und auswendig. 

Bei mir bist Du richtig, wenn Du reale medizinische Informationen zum Thema Rückbildung und Frauengesundheit suchst. Mehr über mich findest Du auch hier.

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