Rektusdiastase schließen - Helfen Situps, Planks und Co? Und die Studienlage dazu.

Wie kann ich meine Rektusdiastase schließen?

 

Ich bekomme immer noch ganz viele Mails mit der Frage:

Wie kann ich denn meine Rektusdiastase schließen?

Mit welchen Übungen kann ich die Rektusdiastase bekämpfen?

Viele wissen inzwischen zwar, dass das Schließen nicht das erste Ziel ist, sondern, dass es viel wichtiger ist, da eine Spannung in der Mitte herzustellen und stabil zu werden.

Aber es ist natürlich auch klar, dass man die Lücke "zu" haben möchte. Kann ich verstehen.

Aber da der Körper ein multidimensionales Ding ist, ist das manchmal nicht ganz so einfach.

 

Und ja, die geraden Bauchmuskeln können eine Lücke annähern, aber das funktioniert nicht immer so und man kann deshalb auch nicht pauschal dazu raten, Situps, Curlups und Planks zu machen.

Aber fangen wir von vorne an.

 

Im Internet gibt es viele Meinungen dazu und vor allem auch eine Studie, die dann hergenommen wird, um zu rechtfertigen, dass man Situps, Planks und was noch alles, machen darf/kann/soll. Und immer wieder heißt es, "doch, die geraden Bauchmuskeln schließen die Lücke, man muss doch auch Reize setzen und kann nicht immer nur Weichspüler-Übungen machen".

 

Ich wurde auf Instagram nach meinem Post mit den Übungen, die wir nicht machen und was beim Situp alles passieren kann, übel angegriffen. Das wär Bullshit, das würde Angst machen, ich soll mich mal updaten, ich wär oldfashioned und ich würde alles verbieten, was Spaß macht, die Studienlage sagt was anderes mit dem Aufruf "Leute macht Situps und Planks, das brauchen eure Bauchmuskeln und das schließt eure Rektusdiastase".

Ich hab nicht die ganze Konversation hier, aber zumindest einen Einblick.

Ich rege mich auch nur so auf, weil diese Person viele Tausende an Followern hat und somit auch viel Einfluß auf die Mamas und weil ich im Gegenzug doch auch nicht bei Instagram unterwegs bin und Leute beleidige, nur weil mir nicht gefällt, was sie schreiben. Und vor allem, sorry, "macht Situps" finde ich wirklich eine echt üble Maßnahme.

 

Das Thema, diese Fragen und dieser Kampf mit den "richtigen" Übungen wird wohl auf ewig bleiben befürchte ich. Ich will ja auch nicht nur recht haben, damit ich recht hab.

Vieles, was da erzählt wird, macht physiologisch/anatomisch halt keinen Sinn. Aber das kommt genauer im nächsten Blog Artikel. Ich denke mir meine Theorien ja nicht einfach so aus. Das hat ja eine Grundlage.

Und sehr viele Leute werben jetzt wieder vermehrt damit, dass man doch alles machen kann und auf nichts an Übungen verzichten braucht. Hmm, sag ich da nur. 

 

Meiner Meinung nach sind Situps, Planks und all das, die altmodischsten, langweiligsten, unsinnigsten und echt fahrlässigsten Übungen, die man in der Rückbildung machen kann.

Es gibt Hunderte an Übungen, die sehr viel sinnvoller und funktioneller für den Körper sind.

Und wenn man eh die Kontrolle über seine Muskeln noch nicht hat, dann kann einem schon die einfachste Übungen in Bauchlage zur Aktivierung der tiefen Bauchmuskeln den Schweiß auf die Stirn treiben. 

Und auch wenn man schon fortgeschritten ist, würde ich solche Übungen nicht machen, weil sie einfach die funktionellen Muster nicht fördern. Die sind stupide, langweilig und fördern im Prinzip nichts. 

Statische Halteübungen sind eh nicht wirklich besonders anregend für den Körper.

Nicht mal Bodybuilder machen explizite Trainingseinheiten für die Bauchmuskeln, weil das gar nicht nötig ist. Die Bauchmuskeln sind immer dabei, wenn man ein gescheites und sinnvolles Training macht.

Wenn man da Spaß bei hat, dann kann man das ja SPÄTER einbauen. Aber nicht, wenn man eh ein offensichtliches Problem oder eine Bauchwanddysfunktion bzw. -schwäche hat.

Man darf einfach nie vergessen, mit welchem Klientel wir uns hier beschäftigen.

 

Ich hab zwei super coole Sprüche gefunden bei Insta: 

"Why are conventional "core exercises" (crunches, planks, Kettlebell swings) considered junk-food for your body? Because they deprive your body of the functional "nutrients" it needs to perform optimally in life and sports." (Warum gelten konventionelle Übungen für die Mitte als Junk Food für deinen Körper? Weil sie deinem Körper die funktionellen Nährstoffe vorenthalten/entziehen, die er braucht, um im Leben und im Sport optimale Leistung zu bringen).

Der andere Spruch war: "What exercises should you do every workout to keep your core dead, stiff and dumb? Planks and static holds." (Welche Übungen solltest du in jedem Workout machen, um deinen Körper tot, steif und dumm zu halten? Planks und statisches Halten.)

Gefällt mir. Und da ging es nicht mal um Rückbildung. Da ging es um "normales" Training von

voll-fitten Menschen. 

 

 

Unten in den Videos von meinen Patientinnen könnt ihr sehen, dass das, was ich sage, mit Sicherheit kein Bullshit ist. Ich kann nicht einfach Situps mit denen machen und denken, die Lücke schließt sich und dann ist meine Arbeit beendet. So sehen Physio Ziele ja nicht aus, wenn man es ernst nimmt und multidemensional denkt.

Und ich habe noch eine ganze Menge mehr Videos. Einige davon findet ihr bei den Bauchgeschichten.

 

 Hier ein Teil der Instagram Konversation, die mich auf die Palme gebracht hat.

Wie gut, dass es Screenshots gibt.

Das Lustige an der Sache ist ja, dass genau das, was ich beschreibe, nicht nur meine Sichtweise ist, sondern auch so beschrieben wird von Leuten wie Rektusdiastase Guru Diane Lee oder Faszien Guru Robert Schleip. Und auch Mamas Mitte Gründerin Katarina Woxnerut unterrichtet das in ihren Ausbildungen. Keiner von denen hat als Ziel "Schließen der RD", sondern Stabilität. Keiner von denen macht Situps oder Planks. Und schon gar keiner sagt, macht Situps und Planks um die RD zu schließen. So eine Betrachtungsweise ist viel zu oberflächlich. Die Erklärung zu den Posts findet ihr hier.

 

 

 

Die Studie von Diane Lee und Paul Hodges dazu findest du hier.

"Although reduction of the IRD may appear to be an obvious rehabilitation objective, the alternative view is that LA tension, which may require an increase in the IRD, is necessary to support the abdominal contents and to transfer force between opposite sides of the abdominal wall."

 

 

Genau das sind doch die Dinge, auf die man achten muss, wenn man Menschen mit instabilen RDs, Bauchwandschwächen und Dysfunktionen behandelt und trainiert. Und wenn diese renommierten Leute keine Ahnung haben, dann weiß ich auch nicht, wer die haben soll. Sicher keine 0815 Physio/Trainerin aus Hintertupfing.

 

Bevor man mit den Hochdruck-Übungen beginnt, sollte vorher die Tiefe stabil sein und der Druck und die Kraft so umgesetzt werden können, dass eben nichts rausquillt, sich einzieht, den Beckenboden zu sehr belastet oder den ganzen Bauch vorstülpt. Das alles sind Zeichen von "noch nicht bereit".

Jemand, dem das alles egal ist und das als Quatsch abtut, der hat anscheinend noch nie wirklich mit Frauen in der Rückbildung gearbeitet. Und auch, wenn ich eine Hochleistungsportlerin wieder an Übungen heran führe und die ziemlich stabil und durchtrainiert ist, dann ist sie nicht zwingend auch im Inneren stabil und gesichert im ersten halben Jahr. Stichwort Gebärmutterhaltebänder, Organe und Beckenboden. Und den Vierfüßler muss man sich immer ankucken. Bei manchen ist der natürlich voll ok, bei vielen leider nicht.

Die erwähnte Studie beleuchte ich gleich noch.

 

 

 

Wann schließen die geraden Bauchmuskeln eine Lücke und wann NICHT?

 

Die geraden Bauchmuskeln können eine Lücke annähern und eine Aktivierung kann eine Schließung fördern. Keine Frage. Man darf die geraden Bauchmuskeln nicht einfach auslassen bei der Rückbildung. Das geht gar nicht und wir brauche die ja.

ABER, sie tun das nur unter bestimmten Voraussetzungen.

 

 

Die geraden Bauchmuskeln nähern sich nur an, können also die Lücke  schließen, wenn sie die Fähigkeit haben, in ihrer Funktion korrekt zu arbeiten.

Das können sie aber nicht so wirklich gut,

  • wenn sie noch überdehnt sind. Dadurch sind sie auch länger und dünner. Das sind ja alles Mikrotraumen. Im schlimmsten Fall ist auch etwas eingerissen im Gewebe oder der Faszie.
  • Wenn die Verbindung Gehirn-Bauchmuskeln noch nicht so gut funktioniert. Oft fühlt sich der Bauch nach der Geburt an wie ein Fremdkörper. Bei manchen Frauen noch sehr lange (dazu auch im nächsten Blog Artikel mehr. Dafür gibt es nämlich noch andere Erklärungen).
  • Wenn die Bauchmuskeln noch nicht richtig angesteuert werden können. Dann passiert da allerhand auf und mit dem Bauch, was nicht unbedingt einer kontrollierten Bewegung gleicht (Sinking, Doming, Bulging).
  • Wenn es eine Dysbalance zwischen den einzelnen Muskelaktivitäten gibt. Wenn z.B. die schrägen Bauchmuskeln zu viel arbeiten, weil einer muss ja die Arbeit machen, dann sind das schon Kompensationsmechanismen, weil die anderen das nicht können. Manchmal muss man das als Physio zuerst behandeln, damit die tiefen und auch die geraden Bauchmuskeln die Chance haben, die korrekte Anspannung zu lernen. Manchmal machen auch die geraden zu schnell zu viel. Das ist anders, aber auch nicht besser. Immer, wenn ein Ungleichgewicht in der Muskulatur entsteht, ist das nicht so toll auf Dauer.
  • Wenn der Bauch bzw. die Muskeln noch zu hormon-weich sind und keinen Druck aushalten können.
  • Wenn das Alignment nicht stimmt. Die Beckenstellung und die des Brustkorbs im Verhältnis zueinander.


All diese Faktoren gelten übrigens auch für den Beckenboden.

Wenn diese oder auch nur ein paar Faktoren davon zusammen kommen, dann kann es gut sein, dass die Bauchmuskulatur noch nicht wieder automatisch das macht, was sie im Normalfall tut. Und  das bezeichnet man dann als Dysfunktion

Dann nähern sich bei einem Situp auch nicht die Muskelbäuche an und schließen auch die Lücke nicht, sondern sie  machen etwas anderes. Oder einfach nicht besonders viel oder die Lücke wird noch breiter.

Und sie machen auch nicht immer genau dies oder das, Ursache-Wirkung-mäßig.

Der Mensch ist kein Schulbuch-Norm-Patient. Den genormten Menschen gibt es nicht.

Das kann sogar je nach Tageszeit, Ausgangsstellung oder Stresszustand variieren. 

Und manchmal klappt es bei 3 Wiederholungen, aber ab Nummer 4 geht’s nicht mehr und die Muskelbäuche gehen wieder auseinander.  Manchmal klappt's morgens, aber abends nicht mehr.

Und manchmal ist es eben auch hormonabhängig. Je nach Zyklus oder Stillen, kann das auch noch  mal variieren.

 

Und nur, um es noch mal kurz klarzustellen, das erste Ziel sollte nicht sein, den Fokus nur darauf zu legen, die Lücke zu schließen, sondern von innern heraus stabil zu werden und mehr Spannung in der Mitte zu bekommen. Die Faszie in der Mitte braucht wieder Spannung. Und die kommt, wenn man die tiefe Bauchmuskulatur trainiert. Der Rest kommt danach. Und auch hier gilt, dass isoliertes Training des Transversus Abdominis auch nicht das Nonplusultra ist. Da gehört schon noch einiges mehr dazu. Und isoliertes Training gibt's eh nicht, weil auch das physiologisch nicht möglich ist. 

 

Wir wollen also Spannung in und über der Mitte als Ziel. Meistens wird in dem Zuge eine Lücke auch kleiner.

Das funktioniert aber nicht, wenn man permanent mit ungünstigen Übungen in die Dysfunktion hinein arbeitet und sie immer wieder provoziert. Da kann man sich nicht nur in noch mehr Dysfunktion hinein arbeiten, man kann sich auch ganz prima in einen Nabelbruch oder in eine Bauchwandhernie oder in eine beginnende Beckenbodenschwäche rein trainieren.

Ich will damit keine Angst machen, ich will nur, dass man vorsichtig ist, um genau das zu vermeiden.

Es gibt zu viele Frauen, die trotz eines mulmigen Gefühls in den Kursen Übungen mitmachen, die ihnen eigentlich nicht gut tun, und es hinterher bereuen. Hätten sie mal auf ihr Gefühl (oder mich😉) gehört. Das hab ich schon so oft erlebt.

Und ich weiß von vielen Kolleginnen, dass ich da nicht die einzige bin, die diese Patientinnen dann wieder auffangen müssen.

 

 

 

 

 

Es kommt ja auch immer drauf an, wie  man die geraden Bauchmuskeln aktiviert.

Die sind immer und überall dabei, wenn man funktionelles Training macht oder in funktionellen Bewegungsmustern arbeitet. Man muss es aber trotzdem so anpassen, dass es für die jeweilige Person passt.

Und wie ich schon so oft gesagt habe, isoliertes Muskeltraining, also das Rauspicken von einzelnen Muskeln wie z.B. beim Bizeps (Arm beugen und strecken), das funktioniert bei den Bauchmuskeln nicht genau so.

Die Bauchmuskeln sind vordergründig keine Muskeln, die ein Gelenk bewegen, sondern sind da, um den Rumpf zu stabilisieren, um die Organe zu schützen, um Druck zu regeln, um beim Husten, Lachen, Niesen, Atmen zu unterstützen. Natürlich braucht man sie, um sich vorzubeugen, sich zu drehen und sich aufzurichten. Evolutionstechnisch, damals, als wir noch alle Quallen waren, waren sie aber zur Druckregulation da. Das darf man nicht vergessen. Und sie sind sehr viel mehr verwoben in ein großes Faszien-Netz, als so ein Bizeps.

Natürlich ist immer alles verwoben und spielt zusammen, aber der Bauch ist viel zentraler in der Mitte mit Strukturen nach oben, unten und hinten verbunden und der Rumpf hat die größte Haltefunktion des gesamten Körpers. Und er muss auch beweglich genug bleiben, um die unterschiedlichsten Füllmengen des Darms gut zu bewältigen.

 

Die Studien

Hier sind sie nun also, die Studien.

Ich bin kein Wissenschaftler und vertrete hier meine eigene Interpretation der Studien mit dem Hintergrund, dass ich eine langjährigen Erfahrung mit diesem Klientel habe. Ich finde auch, wenn man als Therapeut rein technisch nach Buch und Studie arbeitet und das dann "Evidenz" nennt, dann fehlt der größte Teil der tatsächlichen menschlichen Interaktion und die reale Beobachtung und Betreuung der Klientin/Patientin. Erfahrungswerte von Dingen, die funktionieren und die nicht funktionieren, gehören meiner Meinung nach, einfach dazu. Genauso wie das subjektive Empfinden jeder einzelnen Patientin.

 

Das große Problem, meiner Meinung nach, mit all diesen Studien ist,

  • dass es am Ende sehr eindimensional nur um die Schließung der Rektusdiastase geht. Was ist mit so einem Ziel wirklich im realen Leben gewonnen? Fühlt sich die Probandin besser, stabiler, fitter? Kann sie damit ihren Alltag besser bewerkstelligen?
  • Dass es nicht um die Stabilität geht. Hauptsache das Ding verkleinert sich, egal, wie es drunter aussieht und egal, wie sich der Rest der Körpers verhält.
  • Dass es sehr wenig Frauen sind, die an den Studien teilnehmen. Ich finde das nicht repräsentativ. In meiner Laufbahn als spezialisierte Physiotherapeutin auf diesem Gebiet hab ich 10 mal mehr Frauen behandelt und kann auch ohne Studie gut einschätzen, was bei wem funktioniert und was nicht. Und Situps haben noch nie als Strategie funktioniert. Was direkt zum nächsten Punkt passt.
  • Jede Frau und jeder Mensch ist anders und reagiert anders. Da spielt nicht nur mit rein, ob jemand stillt oder nicht. Auch die Müdigkeit, Lebensweise, der Alltagsstress, die Schlaflosigkeit. Auch darauf reagiert der Körper. Wie ich oben schon erwähnt habe, kann es gut sein, dass sich manchmal die RD verkleinert und am nächsten Tag ist wieder alles anders. Es hat auch nicht jede das selbe gute oder schlechte Körpergefühl. Manche können Anleitungen, Übungen und Anspannungen besser, schneller, effektiver umsetzen als andere. Andere brauchen andere Herangehensweisen. Wenn die Detail Übungen nicht klappen, fängt man vielleicht besser mit großflächigeren oder auch grob-motorischeren Übungen an. 
  • Deshalb kann es nie nur eine einzige Lösung an Übungen geben, die auf alle passt.
  • Dass Übungsweisen vorgegeben werden, die ich persönlich nicht als sinnvoll ansehe, wie z.B. maximale Beckenbodenanspannungen, um die RD zu verkleinern. Das macht ja so niemand im funktionellen Beckenbodentraining oder als Anweisung bei RD Problemen. Also ich kenne niemanden. Wer kommt auf so Ideen? 

 

Am Ende sind sie alle nicht besonders ausagekräftig. Außer, dass alle sagen, man kann eigentlich nichts sagen. Das wird sogar in den Studien selbst so geschrieben. Die einen sagen, es gibt keine wissenschaftliche Empfehlung für Übungen nach der Geburt, weil es an Wissenschaft fehlt. Die andere sagt, man soll Situps machen, um die RD zu verkleinern.

 

Hier die einzelnen Studien:

 

1. Das ist die, auf die sich alle berufen, denen außer Situps nichts anderes an Übungen einfällt.

Von 2020. Es wird mit Ultraschall getestet. Die werde ich kurz erläutern, den die kommt ja auch zu einem "Ergebnis":

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32302393/ 

 

 

 

 

Was mich daran stört, ist dies:

  • Am meisten stört mich das Ziel, die RD zu schließen. 
  • Es sind nur 38 Frauen. Nicht sehr repräsentativ.
  • Es wird nicht gesagt, wie lange nach der Geburt die Frauen waren.
  • Oberhalb des Nabels war die durchschnittliche Verkleinerung der RD 10 mm vom Ruhezustand zum Kopf heben (Situp) also 1 cm. Da wüßte ich gern wie groß die Lücken im Ruhezustand waren. Beim Twisted Curl-up war die Verkleinerung 9,4 mm.
  • Unterhalb des Nabels 6,1 mm und 3,5 mm.
  • Bei maximaler Beckenbodenanspannung wurde die RD unter dem Nabel größer. Ich frage mich, warum man den Beckenboden überhaupt maximal anspannen soll. Ich wette, hätte man gesagt, den Beckenboden mit 30-50% anspannen, dann wäre da eher das Gegenteil passiert. Weil bei maximaler Anspannung pressen die meisten Frauen und dann wird der Druck im Bauchraum erhöht und dann wird auch eine RD größer.
  • Die Spannung auf der Linea Alba, also der tatsächlichen Mitte, wurde nicht mal erwähnt (durch mehr Spannung entsteht mehr Schutz und Stabilität, aber das ist ja nicht Ziel der Studie).
  • Es ist meiner Meinung nach eben kein funktionelles Ziel generell, nur die Lücke schließen zu wollen. Da fehlt der ganze funktionelle Rest.
  • Es wurden nur die Übungen kurzfristig getestet, wird auch nicht geschrieben wieviele Wiederholungen gemacht wurden und ob vielleicht bei jemanden Ermüdungserscheinungen aufgetreten sind und ob sich die RD dadurch vielleicht wieder erweitert hat. Schreiben sie ja selbst. Es muss mehr getestet werden, um zu sehen, ob die Breite auch dauerhaft verkleinert bleibt. Diese Studie ist nur eine kurze Momentaufnahme. 
  • Es gibt kein Follow Up. Es wird nicht mit einbezogen, wie sich Situps und Twisted Curl-ups auf Dauer auswirken. Ob das vielleicht die RD wieder vergrößern würde durch den dauerhaften Druck.
  • Es wird nicht mit einbezogen, wie sich das auf den Beckenboden auswirken würden, wenn man das schon so empfiehlt. Denn wenn man Situps machen soll, ohne den Beckenboden dabei anzuspannen, wer fängt den Druck ab? Kann der Beckenboden das überhaupt? Nur, um eine RD zu schließen? Einem Ziel, das eh fraglich ist?

 

 


 

3 Monate nach der Geburt. Klappt nicht mit den Situps und dem Schließen.

Die Mitte ist viel zu instabil, um den Druck abzufangen. Mit Übungen wie Situps, macht man da auf Dauer alles noch schlimmer. Und man kann davon ausgehen, dass sich der Beckenboden nicht anders verhält. Da muss man immer mit Übungen, die großen Druck machen, aufpassen. Und zwar so lange, bis es gesichert geht, um eine Stufe weiter zu gehen.

Wenn ich jetzt hier diese Studie hernehme und munter weiter Situps und Co mache, dann arbeiten wir permanent in die Dysfunktion rein. Das geht nicht gut aus.

 

 


10 Monate nach der Geburt.

Situp: Ich hab keinen Ultraschall, um zu messen, ob die Lücke ein paar Millimeter kleiner wird. Aber falls ja, sieht das trotzdem nicht gut aus und ist unfunktionell, weil sich Gewebe heraus drückt. Das ist eine Dysfunktion, egal, ob die Lücke kleiner geworden ist oder nicht. Da klappt etwas nicht mit der Kraftübertragung und der Spannung in der Mitte. Wäre jetzt meine Anweisung, weiter Situps machen, würde sich das verbessern? Nein. Das klappt nur, wenn ich ihr die richtige Anspannung des Transversus beibringe. Dann ist sie stabiler und kann das so halten.

Dann ist es immer noch nicht perfekt und sie muss richtig "schaffen", weil sie das eben so noch nie geübt hat und das Gehirn erst wieder die richtigen Synapsen finden muss. Aber es ist sehr viel besser als nur mit einem ungesicherten Situp.

Den Muskeln das alles beizubringen, braucht meistens mehr als eine Behandlungsstunde, eben weil die Dysfunktion da ist. Und die eigentliche Rückbildungszeit- bzw. dauer darf man auch nicht vergessen. Vieles entwickelt sich ja noch zurück im Laufe der Zeit. Da passiert ja immer noch viel Veränderung im Gewebe selbst.

Auch bei einem Bauch, der ansatzweise "besser" scheint, wären "konvetionelle" Übungen, wie hier mit beiden Beinen in die Luft, noch nicht angebracht. Das aktiviert null und nichts: Sie drückt sich den ganzen Bauch raus und "sprengt" sich die RD.  Auch dazu sagen einige Fachleute, dass es das nicht gibt mit "Bauch sprengen". Aber sorry, wie sonst sieht das hier aus?

So etwas schadet auf Dauer nur, weil die Patientin das überhaupt nicht halten kann. Und genau das bedeutet es, wenn ich sage, Übungen können den Bauch "sprengen". Da schließen keine geraden Bauchmuskeln die Lücke. Man sieht das ja ganz deutlich. Im Gegenteil. Das ist zwar nicht als Übung in den Studien dabei, aber das ist eine ganz gängige Übung in vielen Kursen. Mach das mal 3 Monate lang 3x die Woche in Sätzen zu 3x20 Stück und das nur als kleinen Anteil eines gesamten Workouts, dann bin ich aber mal gespannt. Und dann heb mal den Kopf und die Arme noch dazu ab, um die Übung echt cool zu machen. Und dann häng am besten noch Gewichte an die Arme.

 

 

Das nächste Beispiel ist eine Mama, 1 Jahr nach der Geburt.

Die ganze Geschichte von Mirjam könnt ihr hier nachlesen.

 

1 Jahr nach der Geburt.

Der Bauch kann nicht mal Husten halten.

Wie soll er da ein Situp oder eine ähnlich sinnbefreite Übung in dem Stadium, halten können?

Beim Situp eiert der Bauch so vor sich hin. Die Kraftübertragung klappt nicht. Es zieht sich die Mitte ein und nach kurzer Zeit sieht man deutlich, wie sich Kompensationen ausbreiten, weil die geraden Bauchmuskeln nicht können.

 


 

 

 

2. Die hier ist die neueste Studie von 2021, sagt aber nichts aus:

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34391661/

Dass der Tansversus die RD nicht verkleinert wissen wir. Das hat Diane Lee schon in einer Studie gesagt. Das wollen wir als Physios auch damit gar nicht erreichen. Wir wollen mit der Anspannung des Transversus eine Spannung der Faszie erreichen, damit die Mitte stabiler wird. Interessiert halt leider die Studie nicht.

 

 

 

 

 

 

3. Die ist sehr ausführlich von 2018. Sie widerspricht im Prinzip der 1. Studie. Es können keine Übungsempfehlungen gegeben werden, um eine RD zu schließen.

Es wird auch nicht mit Ultraschall getestet, sondern mit Fingerbreite. 

https://academic.oup.com/ptj/article/98/4/260/4813620?login=true

 

 

 

4. Das ist noch eine ältere Studie von 2014.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24268942/ 

 

 

 

Ich könnte noch und nöcher weiter schreiben, aber das wäre dann echt zu viel.

Meine Konklusion ist die:

Das Ziel ist nicht gut gewählt und das Ergebnis ist nicht alltagstauglich. Nur, weil sich bei ein paar Frauen die RD verkleinert hat, heißt das nicht, dass das auch gut und sinnvoll ist und dass das bei allen anderen genauso klappt. Das heißt auch nicht, dass diese Frauen stabiler sind.

Wenn man sich als Therapeut nur auf Studien verläßt ohne selbst zu denken, kommt man nicht weit.

Erfahrungswerte sind genauso wichtig wie "Studien".

Wenn man sich als Therapeut nur auf Studien verläßt, ohne die Frauen genau zu befunden und zu beobachten, kann man die Frauen um Kopf und Kragen trainieren.

Wenn man als Therapeut nur eine einzige Lösung oder Übung hat, fehlt's an Kreativität und fachlichem Horizont.

 

Manche Lücken schließen sich leider nicht, auch nicht mit echt intensivem Training und sehr viel Zeitaufwand und Geduld. Manchmal helfen am Ende die besten Übungen nichts.

Aber auch das heißt nicht, dass das alles für die Katz war. Die meisten können am Ende (nach 3-4 Jahren Aufwand) gut mit ihren 2-3 cm Lücke leben, weil sie super stabil geworden sind. Meine Klientinnen, die ich seit Jahren betreue und deren Entwicklung und Fortschritt ich verfolge, haben alle keine Situps oder Planks gemacht und fühlen sich sehr gut. Deren Lücken würde auch jetzt mit Situps nicht noch mehr "zu gehen". Im Gegenteil. Siehe Miriam oder eine meiner anderen Kursteilnehmerinnen.

Manche Lücken brauchen tatsächlich eine OP, weil auch mit intensivem Training über einen langen Zeitraum keine Stabilität erreicht wird. Das gibt es leider auch.

 

Bei vielen anderen ist die Lücke "zu gegangen". Ganz ohne Situps und Planks.

Bei den meisten ist die Lücke bzw. die Stabilität erst besser geworden, als sie mit Situps und Planks aufgehört haben. Siehe auch die Blog Artikel mit Susi oder Tatjana.

 

Sind die Mitte und der Rumpf stabil genug, kann man auch wieder Übungen machen, die mehr Druck und Kraft erfordern, wie z.B. Rotationsübungen, Gewichte, Fitness, Joggen und und und.

Und ja, die Mitte braucht auch irgendwann wieder Reize, damit sie sich weiter entwickelt und noch stabiler wird. Aber dann braucht's immer noch keine Situps, Twisted Curlups oder Planks, um das zu erreichen.

Wie gesagt, wer da Spass dran hat, kein Thema. Das aber als Lösung für eine Rektusdiastase zu sehen, ist mir zu oberflächlich und eindimensional (und zu langweilig). Es gibt doch noch so viele Übungen mehr, die Spass machen und auch mehr Sinn.

 

Wie erreicht man denn dann jetzt eine gute Stabilität in der Mitte?

Mit einem ganzheitlichen Stabilitätsprogramm, mit einem guten Befund, mit der Bearbeitung und Behandlung von Dysfunktionen, mit Umlernen, mit Verbindung-zum-Gehirn-wiederherstellen, mit Rückbildung-unterstützen anstatt bekämpfen, mit angemessener Progression der Übungen.

Was man außerdem noch selbst tun kann, abgesehen von Übungen, das erzähle ich euch im nächsten Blog Artikel. Der befasst sich dann hauptsächlich mit dem Thema Gehin-Muskel Verbindung wiederherstellen und warum manche Übungen einfach noch nicht klappen können, aus ganz physiologischen Gründen. Knüpft also nahtlos an den hier an.

 

Wer noch mehr stöbern möchte, kann sich dieses Video von Diane Lee noch anschauen:

 

 

 

 

 

Falls ihr Hilfe und persönliche Betreuung braucht:

 

Therapeutenlisten:

 

 

Beckenboden- und Bauch/Rektusdiastasen Checkup:

Ich biete mein Coaching Programm auch wieder an, wer da online ein bißchen Hilfe haben möchte. 


Hi, ich bin die Nicole. Ich bin seit 25 Jahren Physiotherapeutin und habe viele Jahre auf der Wochenstation und auf der gynäkologischen Station in der Frauenklinik gearbeitet. Von mir bekommst Du Informationen zum "Thema" aus erster Hand. 

Rückbildung vom ersten Tag an, im Rückbildungskurs, in der Praxis mit Patienten und leider auch oft die Spätfolgen von Beckenbodenschwächen (und was es sonst noch alles geben kann)  in der operativen Gynäkologie, kenne ich in und auswendig. 

Bei mir bist Du richtig, wenn Du reale medizinische Informationen zum Thema Rückbildung und Frauengesundheit suchst. Mehr über mich findest Du hier.


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Kommentare

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Kommentare: 5
  • #1

    Carina (Sonntag, 20 Februar 2022 19:19)

    Anti-Shitstorm:
    Danke, dass du deine Erfahrung teilst und weitergibst. Und danke für den Artikel, der die Schwächen der Studien beleuchtet (ernsthaft: es gibt Menschen die sich auf Ergebnisse von Studien mit 38 (38!!!) Teilnehmern berufen?? Das ist absurd, von den fehlenden Langzeitbeobachtungen und sehr lückenhaften Angaben zur Durchführung mal abgesehen..)

  • #2

    Lotte (Sonntag, 20 Februar 2022 20:34)

    Liebe Nicole,
    tausend dank für deinen profunden Reflexionen. Ich kann mich wirklich nur Carina anschließen! Mach bitte weiter mit deiner tollen Arbeit. Wird gebraucht!!

  • #3

    Birgit (Montag, 21 Februar 2022 08:54)

    Vielen vielen Dank für deine umfassende Arbeit!
    Ich biete als Physiotherapeutin Rückbildungskurse an und arbeite mich nun tiefer in das Thema ein und bin sehr sehr dankbar über dein Fachwissen.
    Liebe Grüße aus Heilbronn

    Birgit Nöthen

  • #4

    Gabriele Hofbauer (Montag, 21 Februar 2022 10:11)

    Hallo liebe Nicole!
    Ich verstehe dich! Ich kann dir in jedem deiner Punkte zustimmen. Es erheitert mich wie emotional du die Diskussion führst. Du hast recht, daß Studien mißbraucht werden um irgendetwas zu beweisen, rechtzufertigen, zu verkaufen..
    Eine Studie hingegen, ist eine Diskussionsgrundlage und hilft einfache neue gute Fragen zu finden.
    Aus der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie weiß frau, daß jede wissenschaftliche Erkenntnis, sobald der Faktor Mensch hinzu kommt, keine berechenbare Bahn nimmt! Eh klar! Wir wissen das!
    Danke Nicole, für deine wertvolle Arbeit! Und schließe mit: Hegel: Alles ist Teil eines Gesamtprozesses, der sich ständig weiter (vorwärts) bewegt.
    lg Gabi HOfbauer

  • #5

    Nicole Frank (Montag, 21 Februar 2022 10:50)

    Liebe, Carina, Lotte, Birgit und Gabi, vielen Dank für Eure netten Kommentare :)
    ich freue mich immer über Unterstützung. Da weiß ich, dass es in die richtigen Hände kommt. Man zweifelt ja manchmal schon am Sinn seines Tuns, wenn die Trolle einen runterziehen. Und wenn mich jemand auf meiner eigenen Seite wie ein Depp dastehen läßt, muss ich was tun :) nicht nur, weil mich das persönlich angreift, sondern auch, weil ich nicht will, dass die Mamas, die das lesen, dann Situps und Crunches machen. Das hat auch was mit Verantwortungsgefühl zu tun. Da bin ich dann auf einer Mission ;) die Frauen kennen diese Studien ja nicht.
    Liebe Grüße an Euch, Nicole