Wann ist die Rückbildung abgeschlossen?

Du kannst diese Folge wie immer direkt hier hören und/oder dir das Video dazu anschauen.

Oder du hörst hier.

 

 

 

 

 

Ja, das fragen sehr viele Frauen, weil irgendwann will man ja auch wieder loslegen.

Und es werden ja sehr oft Kurse angeboten für "nach der Rückbildung", aber wenn ich mir dann die Beschreibung anschaue sehe ich, dass das oft mit 4-5 Monate nach der Geburt veranschlagt wird.

Und das ist mit Sicherheit noch nicht "nach der Rückbildung".

 

Viele von euch haben ja leider die Erfahrung machen müssen, dass sie einen völlig falschen Kurs gebucht haben, der echt noch zu früh war und mussten dann mit den Konsequenzen leben. 

Das liegt daran, dass man selbst nicht weiß, wann die Rückbildung fertig ist.

Viele denken, das ist nach dem Rückbildungskurs. Also ungefähr, je nachdem, wann man anfängt, eben nach 4-5 Monaten.

Aber vor allem liegt es daran, dass viele Kursanbieter das nicht wissen. Vielleicht wollen sie es aber auch nicht wissen und einfach nur ihr Konzept verkaufen und es ist völlig wurscht, ob das gut für die Frauen ist oder nicht.

Und, wenn dann da steht "nach Abschluss der Rückbildung" oder "nach 4-5 Monaten", dann denkt man natürlich, dass das so richtig ist.

 

Natürlich gehen diese Kurse nicht immer dramatisch aus. Aber es reicht ja schon, wenn ich vorher keine Rückenschmerzen hatte, aber mir jetzt alles weh tut.

Von den Senkungen und Inkontinenzen nach falschem und zu viel Fitnessgedöns, fange ich jetzt erst gar nicht an. Da reichen ja manchmal schon die Einkaufstüten und Alltagssachen, die man permanent selber schleppt oder aber auch das Training mit dem 7 Kilo Baby im Arm/Trage.

Ihr wißt, ich bin absolut kein Fan von Training mit Baby, weil das leider einfach viel zu oft in die Hose geht und weil das auch nichts mit Rückbildungstraining zu tun hat.

 

Ich versuche jetzt mal, so gut es geht, diese Frage zu beantworten.

Wann ist denn nun eigentlich die Rückbildung abgeschlossen?

 

Es spielen ja immer ganz viele Faktoren mit rein.

Es gibt zum einen die Faktoren, die ganz automatisch ablaufen, die wir mit Übungen nicht so wirklich beeinflussen können. Nämlich alles, was im Inneren und Äußeren an "Schrumpfungsprozessen" und Gewebeumbau ablaufen muss, bevor man wieder stabil ist. Also das rein körperlich Physiologische.

Dazu gleich mehr.

 

Zum anderen gehört natürlich immer auch das ganze Leben mit dazu.

Stress, Schlafmangel, Cortisolüberschuß, Ernährung oder Lebensführung spielen auch immer einen Part bei der Fähigkeit des Körpers gutes Gewebe zu produzieren. Und im Prinzip geht es immer um Gewebebildung und Umbauprozesse.

Gewebebildung heißt Kollagenfasern Typ 1 neu zu bilden. Das ist das straffe, feste Gewebe, das überall im Körper vorhanden ist. Das wollen wir und das brauchen wir.

Kollagenfasern Typ 3 sind die Narben, die gebildet werden. Das ist noch viel fester, aber nicht mehr so elastisch und nicht mehr so wie das ursprüngliche Gewebe.

 

Ausschlaggebend nach der Geburt sind vor allem die Hormone bzw. der Mangel an selbigen.

Östrogen ist verantwortlich dafür, dass wir gutes und auch ausreichend viel, neues Gewebe produzieren können. Wir haben überall im ganzen Körper Östrogenrezeptoren.

Nach der Geburt haben wir einen deutlichen Abfall des Östrogenspiegels.

Dann haben wir Relaxin im Körper. Das hält das Gewebe weich.

 

Solange man stillt, ist der Östrogenspiegel niedriger als normal und das Relaxin ist auch solange im Körper. Das heißt grob gesagt, dass während der Stillzeit die Fähigkeit festes Gewebe und straffe Muskeln zu bekommen, Grenzen hat.

Nach dem Abstillen dauert es meistens noch mal 3-6 Monate, bis sich alles wieder normalisiert hat und man einen deutlichen Unterschied in seinem Körper spürt.

 

Wenn jemand nicht stillt, geht das mit der Normalisierung der Hormone natürlich schneller. Trotzdem hat man immer noch die "Schrumpfungsprozesse", die so lange brauchen, wie sie brauchen. Bis im Inneren die Bänder und Faszien wieder richtig gut gefestigt und stabil sind, kann das schon bis zu einem Jahr dauern.

Gewebezellen, die ja unser gesamtes Gewebe (Muskeln, Bänder, Gelenke, Haut, Knochen etc.) ständig auf- und abbauen, sind langsam, aber stetig. Innerhalb eines Jahres ist unser ganzes Gewebe einmal ausgetauscht. Im Normalfall und ohne Schwangerschaft und Rückbildung..

Nach der Geburt im "Mangelzustand", ist das ein bißchen langatmiger. Aber es wird passieren.

 

Manche Narben, Risse oder Hautveränderungen können manchmal nicht wieder in das geschmeidige Gewebe mit Kollagenfasern Typ 1 umgewandelt werden, weil die Verletzungen vielleicht zu heftig waren.  In dem Fall bildet der Körper Kollagenfasern Typ 3. Das sind dann die Narben oder die Hautstellen, die nicht ganz so schön aussehen. Der Körper tut aber sein Bestes, um sich wieder stabil zu machen und das gesamte Gewebe gut hinzubekommen. Das Ziel ist ja immer Festigkeit, Stabilität und Effizienz.

 

Die Dauer der Wundheilung und wie lange es eben dauert, bis die Nähte richtig fest und stabil genug sind, kann man ganz fantastisch an der Anweisung "ein Jahr nach Kaiserschnitt bitte nicht schwanger werden" sehen. Ich finde, das sagt am besten aus, wie lange Gewebe braucht, um komplett fest zu werden und zu heilen.

Wenn jetzt aber jemand zwei Jahre stillt, bleibt eine "Rest-Weichheit" bestehen, solange man das Stillhormon Prolaktin ausschüttet. Und genau solange wird auch der Östrogenspiegel niedriger bleiben und genauso lang wird auch Relaxin ausgeschüttet.

Zum Relaxin gibt es leider keine 100%-ige Studie darüber, wie lange das jetzt ganz genau bleibt und wann es genau geht. Die eine Studie spricht von Tagen, die andere bis zum Ende der Stillzeit.

 

Das Ausschlaggebende ist aber das Östrogen.

Der komplette Rest der Rückbildung wird erst nach dem Abstillen eingeläutet. Und deswegen hat auch Training und Muskelaufbau solange man stillt, seine Grenzen.

 

Es gibt auch eine Studie, die deutlich macht, dass die Gefahren einer Organsenkung erst nach

2,7 Jahren deutlich verringert sind. Das sagt noch viel mehr aus (als das mit dem Kaiserschnitt) über die leider langsamen Umbauprozesse im Inneren. Hab ich verlinkt in Blogartikel über Hula Hoop.

 

Und nur noch ein kleiner Tipp zum Schluss.

Kollagenfasern bestehen aus Proteinen, also Eiweißen. Das braucht man auch in ausreichendem Maße, damit man gutes Gewebe bilden kann. Ihr müsst also auch kucken, dass ihr genügend Proteine eßt. Und ihr braucht auch sonst genügend Nährststoffe und Energie, also Kalorien, damit ihr körperlich gut funktioniert. Leider liefern die schnelle Butterbretzel und der Coffee To Go nicht so viel davon ;)

 

Die weiteren Details findet ihr im Video.


Hi, ich bin die Nicole. Ich bin seit über 25 Jahren Physiotherapeutin und habe viele Jahre auf der Wochenstation und auf der gynäkologischen Station in der Frauenklinik gearbeitet. Von mir bekommst Du Informationen zum "Thema" aus erster Hand. 

Rückbildung vom ersten Tag an, im Rückbildungskurs, in der Praxis mit Patienten und leider auch oft die Spätfolgen von Beckenbodenschwächen (und was es sonst noch alles geben kann)  in der operativen Gynäkologie, kenne ich in und auswendig. 

Bei mir bist Du richtig, wenn Du reale medizinische Informationen zum Thema

Rückbildung und Frauengesundheit suchst. Mehr über mich findest Du hier.

Informiere dich weiter:


Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Renate (Sonntag, 14 März 2021 20:10)

    Hei Nicole
    Ich bin knapp sechs Wochen nach der Geburt (4. Kind). Meine Wochenbettzeit ist fast um und bei vielen Personen in meinem Umfeld ist das gleichbedeutend mit „so, alles wieder wie vorher“. Ich werde auch häufig gefragt: „bist du wieder fit?“. Es tut mir sooo gut, deine Beiträge zu lesen und immer wieder bestätigt zu bekommen, dass die Rückbildung eben lange Zeit braucht und ich auch noch z.b. das Tragen von schweren Taschen verweigern darf und muss. Einen schwachen Bebo sieht man halt nicht so gut von aussen, da ist es manchmal schwierig dem umfeld begreiflich zu machen warum dies oder „jenes“ immer noch nicht geht.
    Herzlichen dank für deine Beiträge.
    Liebe Grüsse
    Renate

  • #2

    Nicole Frank (Montag, 15 März 2021 10:43)

    Liebe Renate, ja schone Dich :) Du darfst das. Ist leider immer mühsam mit dem Rechtfertigen vor anderen. Genau aus dem Grund schreibe ich das immer und immer wieder. Aber bleib dabei und pass gut auf Dich auf. Alles andere ist veraltet und vermottet und Leistungsdruck, der unpassend ist. Alles Liebe, Nicole

  • #3

    Elisa (Mittwoch, 11 Januar 2023 08:54)

    Liebe Nicole,
    Ich bin bei meiner Recherche zu meinem Problem auf deinen Blog gestoßen. Und so langsam macht alles Sinn. Es ist ja leider oft so, dass auch Ärzte nicht auf alles eine Antwort haben. Ich hab seit 7 Monaten eine Analfissur. Meine FA und Hebamme konnten dazu garnichts sagen. Ein proktologe hat mich gefragt ob ich denn auch jeden Tag 2 Stunden Rückbildung mache. Da meinte ich dazu hab ich noch gar keine Ausdauer und Kraft. Und er meinte nur das ist dann jetzt verschwendete Zeit. Aber eben der Körper über 2 Jahre braucht um sich zurückzubilden macht das alles Sinn. Vielen Dank für deine Artikel.
    Liebe Grüße
    Elisa

  • #4

    Nicole Frank (Mittwoch, 11 Januar 2023 09:50)

    Liebe Elisa, da musste ich jetzt aber herzhaft lachen. 2 Stunden Rückbildung am Tag ..... ich lach immer noch. Das macht ja nicht mal Sinn, ohne Rückbildung. So trainiert ja niemand und das macht ja ganz speziell in der Rückbildung auch null Sinn. Hilfe. Abhaken. Was Dir aber vielleicht weiter hilft, wäre mal in einem Beckenbodenzentrum einen Termin zu machen, falls Dir das große Sorgen oder Probleme macht. Nur mal zum abchecken. Und natürlich dauert das alles lange. Du bist ja noch fast am Anfang. Liebe Grüße und alles Gute für Dich.
    https://www.kontinenz-gesellschaft.de/expertensuche/