Der Bauch im Wochenbett

 

 

Menschen und auch ihre Bäuche sind so verschieden wie sie nur verschieden sein können.

Genauso ist das mit Bäuchen nach einer Geburt.

 

Solche Bäuche wie unten im Video sind überhaupt nicht selten. 

Ganz unten auf der Seite habe ich noch ein paar andere Beispiele, wie es auch aussehen kann.

Jede Schwangerschaft ist anders, jede Frau ist anders. Jede Frau hat andere Muskeln, jede Frau hat anderes Gewebe und andere Hormone.

 

Was allerdings die meisten gemeinsam haben ist, dass sie nicht kontrolliert dem Druck des Bauchs standhalten können. Egal ob schlank, dick, wabbelig oder weniger wabbelig. 

Der Bauch ist überdehnt, die Muskeln sind überdehnt und lange nicht "benutzt" worden, die Haut ist überdehnt, der Beckenboden traumatisiert.

 

Druck im Bauchraum entsteht schon allein beim atmen. Das ist ja nicht gefährlich.

Kommt aber husten, lachen oder niesen dazu, sieht die Sache schon anders aus. 

Auch aufstehen und hinsetzen macht Druck. Baby tragen, Haushalt erledigen, aufs Klo gehen, Geschirr ausräumen, Waschkörbe hochheben und nicht zu vergessen: Baby im Maxicosi rumtragen (leider...was soll ich sagen) und noch ganz viel mehr, macht Druck im Bauch.

Der Alltag einer frischen Mama, und der eines jeden Menschen, besteht so ziemlich in allen Lebenslagen aus Aktivitäten, die Druck im Bauchraum auslösen. 

Wenn der Bauch die Kraft nicht hat, das alles zu halten, kann das zu ziemlich üblen Schmerzen, meistens im Rücken, und zu Ausgleichsmechanismen führen, die den Körper auf Dauer ganz schön aus dem Lot bringen. 

  

Das ist weder selten noch ungewöhnlich, aber wenn man es nicht kennt, ist es meistens doch recht befremdlich oder angsteinflößend.

Fragen kommen auf, ob das jemals wieder weg geht und was man dagegen tun kann.

 

Da das keine außergewöhnlichen Situationen sind nach Geburten, gibt es natürlich auch genug, das man tun kann von Anfang an. Es gibt immer einen Plan. Also nicht verzagen.

Natürlich geht es ganz am Anfang nicht um Training, das den Bauch "weg macht", sondern um eine sanfte Aktivierung der Bauchmuskulatur und des Beckenbodens. Es geht um die Verbindung vom Körper zum Gehirn und umgekehrt. Es muss meistens erst einmal wieder eine synaptischen Verbindungen hergestellt werden.

 

Wenn ich einen Körperteil oder Muskulatur lange nicht benutze, dann bilden sich die synaptischen Verbindungen zurück. Das heißt so viel wie, dass die kleinen Nervenbahnen und Verzweigungen ihre normalen Verbindungen untereinander auflösen, wenn sie nicht benutzt werden. Man braucht sie dann ja nicht. Nervenverbindungen kann man wieder aufbauen und sie können sich regenerieren.

Ich spreche in unserem Fall aber nicht von einer echten Nervenschädigung, sondern von der Plastizität im Gehirn. Das heißt so ;) 

Das ist die Projektionsfläche im Gehirn, dort wo die Verbindung nach unten zu den Muskeln vertreten ist. Wird ein Areal eben lange nicht benutzt, ist die "Repräsentation" da oben nicht mehr ganz so "präsent". Aber keine Angst, das hat auch nichts mit einem "Hirnschaden" zu tun.

Das kann man alles wieder lernen. Man muß es nur richtig anbahnen und die Propriezeptoren, also die Wahrnehmungs-Sensoren (dazu gehören auch die Muskelspindeln), wieder schulen.

 

Ich werde ganz oft gefragt "Was meinst du damit, dass das Gehirn die Verbindung zum Bauch verloren hat? Wie muß ich mir das vorstellen?"

Hier ist die Antwort. Sie ist ein bißchen klinisch, aber eigentlich ganz gut verständlich. Danach kommen dann die Videos mit den Bäuchen. Ich will nur kurz klar machen, warum die Bäuche ganz oft gar nicht auf Training anspringen, warum sie sich oft wie ein Fremdkörper anfühlen und warum es so lange dauern kann.

 

"Neurons that fire together wire together".

Dieser Satz stammt von Neuropsychologe Donald Hebb. Er beschreibt wie die Verbindungswege im Gehirn geformt werden und auch ge-/bekräftigt werden durch Wiederholungen.

Hebb beschreibt auch, dass Nervenzellen, die immer zusammen arbeiten, also "firen", auf Dauer auch immer zusammen erregt werden. Das ist absolut gut so und Gott sei Dank ist es so, wenn man das Richtige übt und anbahnt. Das heißt, dass es absolut möglich ist das umzulernen, was der Körper jetzt im Wochenbett so alles "Komisches" macht.

Es kann aber auch im Gegenteil absolut nicht gut sein, wenn man das falsche übt und falsche Reize und Signale setzt auf Dauer oder sich falsche Bewegungsmuster angewöhnt oder eben nicht wirklich umlernt. Denn auch in dem Fall tritt nach einiger Zeit der "Gewöhnungsfaktor" ein, bei dem dann die ungünstigen Nervenverästelungen immer zusammen "feuern", und man merkt nicht einmal, dass man immer mit der Hüfte ausweicht, wenn man sich nach vorne beugt (jetzt nur als einfaches Beispiel).

Genauso ist das, wenn man ständig Übungen macht, die funktionell und physiologisch keinen Sinn machen, die den Körper ständig überfordern und die falsche synaptische Verbindungen provozieren. 

Das wollen wir möglichst verhindern.

Das heißt jetzt natürlich nicht, dass man bei Übungen keine "Fehler" machen darf. Lernen und Üben haben das so an sich, dass man es am Anfang noch nicht kann. Dafür übt man es ja.

Ein Lernprozess geschieht dann, wenn man merkt, wann etwas nicht richtig ist und wie man sich wieder korrigiert. Und das dann so lange bis es automatisch klappt und die Bewegungen sauber und korrekt ausgeführt werden können.

 

Ein anderer Spruch, der auch ganz bekannt ist, ist:  "If you don't use it you lose it". Ähnlich, nur anders ausgedrückt. Allerdings geht es dabei nicht nur um "Hauptsache was gemacht, egal was", sondern darum, die richtigen Muster anzubahnen und zu aktivieren. Und zwar so, dass der Körper und das Gehirn auch Schritt halten können und auch tatsächlich eine Verbindung aufbauen.

Das geht selten, wenn man einfach in einem schnellen Tempo 3x20 mal irgendeine Übung wiederholt und dann denkt, "super, ich hab was getan für mich.

Nee, nee, das braucht schon Konzentration.

 

  

 

Diese kleine Video von Dr. Joe Dispenza ist super interessant und macht die Zusammenhänge gut klar.

Leider nur auf Englisch.

"Lernen baut neue synaptische Verbindungen".  

 

 

 

Zurück zu unserem eigentlichen Thema.

Ganz oft fühlt sich der Bauch nach der Geburt genau aus den oben genannten Gründen wie ein Fremdkörper an, der nicht zu einem gehört.

Das ist überhaupt nicht selten, was in Anbetracht der neurophysiologischen Erkenntnisse und Erklärungen oben, nun auch Sinn macht. Es braucht eben meistens einige Zeit, bis sich das System wieder regeneriert hat und sich wieder normal anfühlt. 

Das betrifft nach einer Schwangerschaft nicht nur den Bauch. Es ist die gesamte Haltung, die Statik und natürlich auch der Beckenboden.

Wobei der Bauch und der Beckenboden natürlich am meisten traumatisiert wurden.

Um wieder ein Gefühl für seinen Körper zu bekommen, muß man sich mit ihm auseinandersetzen und sich die Zeit dafür nehmen. In ihn rein hören und Übungen vorsichtig ausführen, so dass man merkt, was wann wie läuft.

 

 

1. Der Bauch einer Wöchnerin am Tag nach der Geburt

 

 

 

 

Die Wöchnerin im Video hatte eine sehr große Lücke zwischen den geraden Bauchmuskeln.

Als "echte" Rektusdiastase bezeichnet man eine Lücke aber erst ab einer Breite von 2,7 cm.

Was ich gemessen habe, waren ungefähr 4-5 Finger breit. Mit meiner Fingerbreite sind das umgerechnet ungefähr 6-7 cm.

Leider konnte ich nicht weiter verfolgen, wie sich die Situation der Patientin im Laufe der Monate verändert hat, denn ich habe sie nur die drei Tage, die sie auf der Wochenstation war, erlebt.

Ich bin mir sicher, dass sich so etwas ganz gut erholen kann, wenn man von Anfang an weiß, was man alles tun kann, Verhaltensmaßnahmen einhält, die richtigen Übungen lernt und gut auf sich achtet, damit es keine Spätschäden gibt.

 

Diese Patientin braucht einen Bauchgurt, im Sinne von Schwangerschaftsgurt, der ihr das Tragen des Bauches erleichtert, damit nicht noch mehr Dehnung und Zug auf das traumatisierte Gewebe kommt.

Auch ein Tape wäre angesagt.

Oft helfen schon Unterhosen, die über den Bauch gehen und ein bißchen stützen. Eine leichte Miederunterhose. Ich rede aber NICHT von einer Bauchbandage oder einem Korsett!

Manchmal reicht auch eine neue, nicht ausgeleierte Schwangerschafthose oder ein Schal, den man um den Bauch wickelt und im Rücken bindet.

 

Auf den Fotos habe ich noch ein mal eingezeichnet, was auffällt.

Fatal, wenn man mit so jemandem Bauchmuskeltraining auf die herkömmliche Art macht oder im Vierfüßlerstand üben würde, wo der ganze ungesicherte Bauch nach unten hängt und das Gewicht des Darms und die noch große Gebärmutter die super weiche Bauchwand noch mehr nach außen drücken.

 

 

Hier ist der Bauch ohne jegliche Anspannung.

Man kann sehen wie breit die Lücke ist. 

Beim Husten kommt der gesamte Bauch nach außen und der Darm drückt sich durch die Lücke. Der Nabel hat auch keine Konturen mehr.

 

Bei einem Situp, wie beim "normalen" Aufstehen, kommt der ganze Bauchinhalt nach außen. 


2. Der Bauch einer Patientin 4 Monate nach der Geburt

Die nachfolgenden Bilder sind von einer anderen Patientin, 4 Monate nach der Geburt des zweiten Kindes.

Ich denke, bei ihr hat es wahrscheinlich ähnlich ausgesehen wie oben direkt am Tag nach der Geburt.

Ihre Lücke ist 3 Finger breit. Bei meinen Fingern sind das ca. 4 cm. Das sind damit also auch mehr als 2,7 cm, also eine "echte" Rektusdiastase.

Sie habe ich in der Schwangerschaft schon behandelt und konnte die Entwicklung miterleben.

Die Videos und Fotos habe ich im Rückbildungskurs aufgenommen.

Also auch hier, herkömmliches Training, wie es überall so üblich ist, völlig kontraindiziert. Sie schafft es nicht, in einfachen Ausgangspositionen den Druck im Bauch zu halten.

Auch Seitplanks, Vierfüßlerstand oder Füße in die Luft in Rückenlage sind hier absolut noch nicht angesagt. Oft können die Frauen mit solchen "Zuständen" noch nicht einmal einen Fuß oder ein Bein vom Boden abheben, ohne dass sich vorne alles rauspresst. Also auch hier aufgepaßt. Jedes Gewicht das da am Rumpf dranhängt, ob Arm oder Bein oder Baby, kann die Dysfunktion verschlimmern.

Das Baby kann man nun mal selten als "Faktor" abstellen. Aber man kann schauen, dass man keine belastenden Übungen macht oder sich ständig in belastenden Muster oder Verhaltensmuster bewegt und das dann vielleicht auch noch mit diesem zusätzlichen Gewicht des Babys. Man kann schon ein bißchen aufpassen. Man muß nicht immer mit dem Baby am Körper Geschirr ausräumen. 

Auch das so gerne gemacht Training mit Baby als Gewicht ist hier nicht angebracht. Aber das finde ich ja auch sonst nie angebracht, weil es viel zu viel Druck auf dem Beckenboden und dem Bauch macht und nicht dazu beiträgt, dass die Mutter saubere und kontrollierte Bewegungen lernt, wenn sie sich schon ohne Baby nicht wirklich "halten" kann.

Macht Sinn, oder?

 

 

Ohne Anspannung sieht man hier schon die Lücke. Sie ist aber nicht so breit wie mit Anspannung auf dem rechten Bild.

Mit Anspannung, hier ist es ein Situp, wird die Lücke doppelt so breit und der Bauchinhalt drückt sich nach außen.

Als Übung verschlimmert sich hiermit also die Situation deutlich. Macht man das auf Dauer, "sprengt" man sich den Bauch quasi noch mehr auseinander.

Im Stehen sah das nicht viel besser aus. Im Gegenteil.


3. Noch eine andere Patientin mit einer keinen Rektusdiastase 10 Monate nach der Geburt

Diese Patientin habe ich auch auf der Wochenstation kennengelernt als sie entbunden hat.

Das Video ist 10 Monate nach der Geburt ihres ersten Babys.

Sie war auch gleich nach der Geburt schon wieder schlank. Dennoch hatte auch sie eine dysfunktionale Bauchwand. Dünn schützt nicht vor Dysfunktionen und ist deshalb auch nicht immer "besser". Sich mit anderen zu vergleichen macht also überhaupt keinen Sinn ;) 

Außerdem hatte sie auch noch einen Nabelbruch, der später dann auch operiert wurde.

Sie kam zu mir in die Praxis, weil sie nicht wusste, was sie mit dieser Lücke anfangen sollte und wie sie sich verhalten sollte mit dem Gewebe, dass sich da immer durch die Lücke durchgepresst hat.

Ihre Lücke waren nur ca. einen Finger breit. Bei meinen Fingern sind das ungefähr 1 -1,5 cm. Also keine "echte" Rektusdiastase. Dennoch eine Dysfunktion.

Nach einigen Behandlungen konnte sie die Lücke sehr gut kontrollieren und es war im Alltag überhaupt kein Problem mehr.

 

Ohne Anspannung.

Man sieht wie sich die Mitte nach innen einzieht bzw., dass hier keine Spannung ist.

Bei einem ungeschützten Situp, drückt sich auch hier der Gewebe nach außen und die Lücke wird breiter, einfach dadurch, dass die Bauchwand dem Inhalt nachgibt und auseinander weicht.

Das Ziel jeglicher Art an Übungen muß es sein, den Bauch so zu konditionieren und zu trainieren, dass er auch im Alltag dem Druck des Bauchraums standhalten kann. In allen erdenklichen Situationen. Auch bei so ganz einfachen Dingen wie husten, lachen, niesen, Babypflege, Haushalt erledigen und nicht zu vergessen dem Toilettengang.


Als Fazit kann ich nur sagen, es ist wahnsinnig wichtig, dass man den Bauch in allen seinen Formen nicht überfordert. Wie wir ja alle wissen, denke ich zumindest, ist es sehr wichtig in den Kursen und vor allem im Rückbildungskurs, die richtigen angepassten Übungen zu machen.

Was ich aber auf gar keinen Fall ignoriert wissen möchte, ist das frühe Wochenbett. Ich möchte nicht dass man die Frauen in den ersten sechs Wochen einfach alleine vor sich hin muckeln lässt, ohne dass sie wissen, was sie tun können und wie sie sich verhalten sollen.

Gerade diese Zeit ist ganz kritisch körperlich und natürlich auch seelisch.

Man kann von Anfang an, ab dem ersten Tag, die Muskulatur ganz vorsichtig aktivieren und die Weichen stellen, damit sie nicht noch mehr Schäden abbekommt, gut heilen, regenerieren und sich gut zurückbilden kann. Das ist etwas völlig anderes als "Training". Ich würde in diesem Zusammenhang das Wort "Training" sowieso gern komplett streichen.

 

Alles wird gut :)

Falls du zufällig noch mehr über das frühe Wochenbett und die ersten sechs Wochen erfahren möchtest, kannst du dich ganz unverbindlich in die Liste der Kursinteressierten eintragen.

Klick einfach auf das Bild.

 

 

 


Hi, ich bin die Nicole. Ich bin seit 25 Jahren Physiotherapeutin und hab viele Jahre auf der Wochenstation und auf der gynäkologischen Station in der Frauenklinik gearbeitet. Von mir bekommst Du Informationen zum "Thema" aus erster Hand. 

Rückbildung vom ersten Tag an, im Rückbildungskurs, in der Praxis mit Patienten und leider auch oft die Spätfolgen von Beckenbodenschwächen (und was es sonst noch alles geben kann)  in der operativen Gynäkologie, kenne ich in und auswendig. 

Bei mir bist Du richtig, wenn Du reale medizinische Informationen zum Thema Rückbildung und Frauengesundheit suchst. Mehr über mich findest Du auch hier.


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