Warum wird meine Rektusdiastase nicht besser?

 

 

Du kannst Dir diesen Artikel auch von mir vorlesen lassen.

 

 

 

 

Man macht und tut und nichts scheint voran zu gehen. 

Man wundert sich, man fragt sich, man rennt von Arzt zu Arzt oder von Webseite zu Webseite und findet keinen Rat.

 

Das Problem bei Rektusdiastasen ist, dass sich eine Antwort nicht in kurzen Sätzen zusammenfassen läßt, dass es meistens nicht nur eine Antwort gibt und, dass jede Frau, jeder Körper, jede Rektusdiastase verschieden ist.

 

Vorne weg: Ein ganz wichtiger Faktor ist, dass eine Rektusdiastase nicht zwingend “zu gehen” muss, damit der Bauch, der Rumpf und der ganze Körper stabil werden. 

Das Wichtigste ist, dass wieder eine gute Spannung über der Lücke bzw. zwischen den geraden Bauchmuskeln hergestellt werden kann. 

Das erreicht man, wenn man die tiefe Bauchmuskulatur trainiert.

 

Aber, das Paradoxe an der Geschichte ist, dass die tiefen Bauchmuskeln eine Lücke etwas auseinander ziehen können. Dadurch wird die Faszie, die Linie Alba, in der Mitte gespannt. 

Und genau so, soll das auch sein. 

Denn durch diese Spannung wird der Bauch stabiler.

(Studie von Diane Lee und Paul Hodges 2016)

 

 

 

 

Die geraden Bauchmuskeln können zwar eine Lücke kleiner machen, wenn sie funktionell aktiviert werden können (was sie aber im überdehnten, verlängerten, verdünnten Zustand nach der Schwangerschaft meistens nicht tun), aber es entsteht dadurch nicht unbedingt eine stabilere Bauchwand, sondern sogar eher eine Laxität dieses Zwischenraums, dieser Faszie, zwischen den geraden Bauchmuskeln.

 

Die Definition von “besser” ist also nicht zwingend “kleiner” oder “weniger breit”.

Die Definition von “besser” wäre “stabiler”, “fester”, “weniger tief”.

 

 

Was sind nun also die Faktoren, die dazu beitragen können, dass es nicht besser wird:

 

 

 

  1. Du machst die falschen Übungen. ”Normales” Fitness Training mit "normalen" Übungen, tun einem meistens keinen Gefallen. Alle Übungen, die zu viel Druck im Bauchraum oder auf dem Beckenboden machen, sind nicht gut. Vor allem Übungen wie z.B. Situps, Planks, Twists, Beine in die Luft und dergleichen, können dafür sorgen, dass sich die Lücke nicht regeneriert und dass sie eher noch instabiler wird, durch den permanenten Druck, der auf die Lücke ausgeübt wird.
  2. Die tiefe Bauchmuskulatur (M. Transversus Abdominis) kann sich nicht aktivieren oder weiß nicht wie sie das tun soll. Die tiefe Bauchmuskulatur brauchen wir, um von innen heraus stabil zu werden. Nicht nur für den Bauch, auch für den Rücken und den Beckenboden.
  3. Die Verbindung Gehirn-Bauch ist noch nicht wieder hergestellt. Das kann man mit leichten Aktivierungs-, Wahrmehnungs- und auch Atemübungen wieder anbahnen. 
  4. Deine Statik stimmt nicht. Nach der Geburt bleibt das Becken oft in einer Kippung nach vorne stecken und die Rippen bzw. der Brustkorb nach oben in einer Einatemstellung. Oder der Brustkorb ist rund und der Kopf nach vorne verschoben. Das kann man bearbeiten, indem man bewußt die Haltung wieder umtrainiert und auch, indem man die Muskeln, die in diesen Positionen vielleicht verkürzen oder verspannen, wieder löst. Manuell von einer Physio oder durch Dehnungen und Übungen. Die Bauchmuskeln setzen übrigens am Brustkorb oben und unten am Becken an. Es hilft oft schon sehr viel, wenn man die Haltung verbessert.
  5. Deine Atmung läuft noch nicht ganz rund. Das Zwerchfell steht noch in Schwangerschaftsposition, also “oben” und kommt beim Einatmen nicht so weit runter wie sonst. Das Zwerchfell und der Beckenboden sind ganz wichtige Teamplayer. Die beiden sollten in Harmonie miteinander schwingen, damit auch der Rest des Rumpfs funktionell arbeiten kann. Mit Atemübungen, die auch den Bauch und den Beckenboden mit einbeziehen, kannst du hier ansetzen.
  6. Du belastest deinen noch instabilen Körper mit zu viel Last und Gewichten. Das fängt schon im Alltag beim Wäschekorb an, über Maxicosi und Kinderwagen schleppen, über schwere Einkaufstüten tragen, über schwere Geschwisterkinder tragen, Sport mit Baby in der Trage machen, bis hin zu tatsächlichen Gewichten im Fitness Studio. Für deine Muskeln, die noch weich und instabil sind, ist das in der Masse, oft zu viel. Mit Dauerbelastung kann sich die Muskulatur schwerer regenerieren und somit auch schwerer wieder aufgebaut werden.
  7. Du machst Übungen nicht regelmäßig. Es muss nicht immer ein mega Workout sein. Es reichen oft 15 Minuten gezielte Übungen, das aber regelmäßig.
  8. Du stillst noch. Die Stillhormone halten das Gewebe weich. Das kann nach dem Abstillen bis zu einem halben Jahr dauern, bis sich alles wieder normalisiert hat.
  9. Du nimmst die Zeit ab Geburt als Maßstab. Zeit sagt aber nichts über Funktion aus. Während der Rückbildung und der Regenerationzeit nach der Geburt, kann der Körper nicht gut Muskelmasse aufbauen. Da ist er mit anderen Dingen beschäftigt und, siehe oben, die Hormone spielen da auch eine sehr große Rolle. Plus: Überdehnte, verlängerte und dadurch auch dünnere Muskulatur, kann in diesem Zustand auch schlecht “aufgepumpt”werden, so wie das im “normalen” Training passiert. Es dauert also erstens länger, als du das vom normalen Training her kennst. Und zweitens ist der Zeitpunkt, an dem man tatsächlich einen richtigen Satz nach vorne macht, dadurch einfach meistens nach hinten verschoben. Erst heilen, rückbilden und regenerieren, dann “Muskelmasse”.
  10. Stress ist ein Faktor. Wenn zu viel Cortisol (unser Stresshormon) im Körper ist, dann ist unser Körper im Flucht-oder Kampfmodus und in solch einem Zustand, baut man auch nicht gut Muskeln auf. Da bedeutet manchmal sogar heftigeres Training und Belastung noch mehr Stress für den Körper. Kann also genau das Gegenteil bewirken, als man beabsichtigt. Im Fluchtmodus speichert unser Körper übrigens auch Fett. Vor allem am Bauch. Denn es geht ja ums Überleben und darum, Fett zu horten für die Not.
  11. Du machst nicht genug Pausen zwischen deinen Übungseinheiten. Muskeln brauchen 48 Stunden zur Regeneration. Erst dann können sie das “Gelernte” oder “Trainierte”umsetzen und stärker werden.
  12. Schlechte Verdauung, Blähungen, Verstopfung. Es bleibt viel zu viel Abfall im Unterbauch liegen. Der Dickdarm kann unwahrscheinlich viel Volumen stauen. In dem Fall sind nicht nur die Abfallprodukte nicht gut für dich (das kann übrigens auch Rückenschmerzen machen), sondern auch das Volumen des Darms, das die Bauchmuskeln von innen permanent nach außen drückt und dehnt. Den Beckenboden übrigens auch. Pressen beim Stuhlgang ist weder gut für den Bauch, noch für den Beckenboden. Also die Verdauung immer schön flutschig halten.
  13. Du ernährst dich nicht gut. Unser Körper braucht genug Proteine und gute Fette, um gut zu regenerieren und auch, um gute neue Zellen zu bilden. Das ist wichtig für die Rückbildung und auch für den allgemeinen Muskelaufbau.
  14. Du trinkst nicht genug. Wir bestehen zu 70% aus Wasser und sollten im Idealfall mindestens zwei Liter Wasser täglich trinken. Auch Muskeln brauchen Wasser, damit sie gut versorgt sind.
  15. Du bist einfach zu ungeduldig 😊

 

 

An einer Rektusdiastase hängt immer auch ein ganzer Mensch.

Egal, ob Rektusdiastase oder Beckenboden, es gehört immer alles zusammen. 

Nicht nur bei den Übungen, der Statik, Verspannungen oder Verkürzungen und dem ganzen physischen Geschehen. Auch Müdigkeit, der Alltag, die Familiensituation, Geburtserlebnisse verarbeiten, das allgemeine Wohlbefinden, schlaflose Nächte und und und, gehören auch mit zum Gesamtbild dazu. Der ganze seelische, psychische Aspekt eines Menschen.

 

Wenn irgend etwas nicht besser wird, dann hilft es immer, mal eine Pause einzulegen und sich zu entspannen. Dann kann man erstens einfach mal Pause machen, was so schon gut tut. 

Und man kann auch mal überlegen, was es denn sonst noch für Faktoren gibt, die vielleicht dazu beitragen, dass man sich fühlt, als ob es nicht weitergeht oder als ob man feststeckt.

Sich entspannen ist das erste Mittel der Wahl überhaupt.

Bei Rektusdiastasen und auch sonst im Leben.

 

 

 

 

 

Wie man unschwer erkennen kann, ist eine Rektusdiastase ein multifaktorielles Ding.

Das hängt meistens nicht nur an einer Sache, sondern an einigen. 

Es gibt keine eine Lösung oder die eine Übung, die alles weg macht.

Es braucht allerdings Übungen, die angepasst sind und nicht am Ende auch noch schaden und die Lücke noch breiter machen, weil viel zu viel Druck im Bauchraum entsteht.

 

Für eine gute Rückbildung brauchen wir Übungen, die den Muskel Transversus Abdominis aktivieren in Kombination mit all den anderen Bauch- und Rumpfmuskeln.

Einzelne Muskelgruppen zu trainieren (die schrägen Bauchmuskeln z.B.) bringt recht wenig.

Genauso wenig bringt es etwas, einzelne Muskelgruppen wegzulassen (die geraden), weil das nicht geht. Alle Muskeln arbeiten immer zusammen. Man muss das auch so trainieren.

Genau das ist die Bedeutung von "funktionell".

 

Wir brauchen die tiefen Stabilisatoren aber vorrangig zuerst und erst zweitrangig die oberflächlichen Mobilisatoren.

Das heißt es ist völlig in Ordnung sich zuerst auf die tiefen Bauchmuskeln zu konzentrieren. Irgendwo muss man ja anfangen.

Dann kommt der Rest der Bauchmuskeln schon noch dazu. Alles zusammen perfekt hinbekommen zu wollen, ist oft zu viel und man endet frustriert. Das ist eine Menge an koordinativer Muskelkraft, die am Anfang noch fehlt.

Aber genau das ist ja die Übung. Deswegen müssen wir es ja üben.

Es macht nichts, wenn das eine Weile dauert, bis man das kann.

 

 

Versuche einfach mit Gelassenheit eins nach dem anderen, das ich oben aufgeführt habe, besser oder anders zu machen. Besinne dich nach und nach wieder auf deinen eigenen Körper.

Eine Baustelle nach der anderen bearbeiten. Und laß dir Zeit dabei.

 

Und auch, wenn du fleissig regelmäßig deine Übungen machst und es trotzdem nicht vorwärts geht. GEDULD. Ein Bodybuilder im Fitness Studio bekommt seinen Body auch nicht über Nacht. Und der hat KEIN Kind bekommen vorher.

Natürlich will höchstwahrscheinlich niemand Bodybuilder werden. Es ist ja auch nur ein Beispiel, dass Muskelaufbau generell lange dauert.

Man braucht auch nur einmal mit Grippe sieben Tage danieder zu liegen und schwupps scheint all die Arbeit umsonst, die Lücke ist wieder größer, weil man erstens in der Zeit nicht zum Trainieren kommt und zweitens, weil der Körper seine Kräfte für etwas anderes braucht. Nämlich dafür, gesund zu werden.

Ein Schritt vorwärts und zehn zurück. So scheint es zumindest manchmal. Das ist völlig normal in dieser Phase. Nicht verzweifeln. Das geht anderen Menschen auch so.

Es gibt kein "Endstadium" für Muskelaufbau. Auch hier kommt wieder mein Lieblingsbeispiel mit dem Bodybuilder. Wenn man aufhört zu trainieren, geht auch die Muskulatur wieder weg.

Haben wir aber erst einmal eine Grundstabilität im Inneren erreicht, dann bleibt die auch meistens. 

 

Was auf jeden Fall nicht bleibt sind "aufgepumpte" Muskeln. Aber das sind alles die oberflächlichen Muskeln.

Das ist das Sixpack und die Monster-Quadrizepse und Bizepse.

Die gehen wieder weg, wenn man nix macht.

Wenn die einmal auftrainierte Muskulatur für immer so bleiben würde, müsste kein Mensch trainieren, geschweige denn Übungen machen. Das ist ein immer und ewig andauernder Prozess und sollte am am besten zum Lebensstil gemacht werden. Natürlich nicht das Bodybuilding, sondern das

Übungen-machen und die Muskulatur erhalten.

Auch für die generelle Gesundheit, Knochendichte und Stabilität, Prävention von Wirbelsäulenschmerzen, eventuellen Bandscheibenvorfällen und für's Alter ist das sehr von Vorteil.

 

Vergiß aber trotzdem nie, dass dein Körper eine Marathonleistung mit Schwangerschaft und Geburt durchgemacht hat und immer noch am machen ist. Die hormonelle Umstellung allein kann schon zwei Jahre dauern. Dein Körper ist keine Maschine. Und er braucht sehr viel Pflege und Verständnis.

Gib sie ihm, wo du nur kannst.


Hi, ich bin die Nicole. Ich bin seit 25 Jahren Physiotherapeutin und habe viele Jahre auf der Wochenstation und auf der gynäkologischen Station in der Frauenklinik gearbeitet. Von mir bekommst Du Informationen zum "Thema" aus erster Hand. 

Rückbildung vom ersten Tag an, im Rückbildungskurs, in der Praxis mit Patienten und leider auch oft die Spätfolgen von Beckenbodenschwächen (und was es sonst noch alles geben kann)  in der operativen Gynäkologie, kenne ich in und auswendig. 

Bei mir bist Du richtig, wenn Du reale medizinische Informationen zum Thema Rückbildung und Frauengesundheit suchst. Mehr über mich findest Du hier.


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Auch, wenn es "nur" online ist, es gibt sehr viele Möglichkeiten, sich schon sofort gezielt selbst zu helfen und sich zu informieren. 

Mit den wichtigsten Informationen und den dazu gehörigen must-do Übungsvideos, kannst Du Dich noch heute auf den Weg machen, stabiler zu werden und wieder mehr Zutrauen in Dich und Deinen Körper zu bekommen.

Wenn man weiß, mit was man es zu tun hat, ist es viel leichter. Man tappt nicht mehr im Dunkeln und fragt sich nicht ständig, was los ist. Du bekommst Antworten und die gezielten Übungen für Dein Problem. Alle Übungen sind rektusdiastasensicher und rückbildungsgerecht. Physiotherapeutisch, funktionell und auf dem neuesten, modernen Stand. Ohne Situps, Crunches, Planks oder schräge-Bauchmuskel- Training, welches ja bekanntermaßen Rektusdiastasen schlimmer machen kann.

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Kommentare: 3
  • #1

    Kerstin (Donnerstag, 16 September 2021 21:13)

    Ich habe schon viel über die Rektusdiastase gelesen, dieser Beitrag sticht hervor. Sehr gut!

  • #2

    Hans-Georg Lindic (Sonntag, 29 Oktober 2023 18:26)

    Hallo Frau Frank,
    seit einer Lebensmittelvergiftung vor mehreren Jahren habe ich eine Rektusdiastase. Meinem Hausarzt ist das egal, und so war ich auf mich allein gestellt, habe aber keine Hilfe gefunden.
    Wären sie die richtige Ansprechperson für mich oder kennen sie jemanden, an den ich mich wenden könnte?
    Viele Grüße
    Hans-Georg Lindic

  • #3

    Nicole Frank (Dienstag, 31 Oktober 2023 14:37)

    Hallo Herr Lindic, Danke für Ihre Nachricht. Ich bin höchstwahrscheinlich eher nicht die richtige Ansprechperson. Tut mit total leid. Bei mir hier ist alles auf Schwangerschaft als Ursache ausgelegt. Alle anderen Ursachen sind, von den Voraussetzungen her, ganz anders (Hormone, weiches Gewebe, Geburt etc.). Ich würde das vielleicht bei einem Chirurgen abklären lassen. Der kann mit Ultraschall sehen, was da los ist. Chirurgen empfehlen natürlich immer OPs, da würde ich explizit fragen, ob das zwingend notwendig ist und was die Gefahren sind, falls nicht. So in die Richtung würde ich das Gespräch lenken. Ich hoffe, das hilft Ihnen ein bißchen weiter. Ich drück die Daumen.
    Viele Grüße
    Nicole Frank